Im Juli 2018 gab es zur Absicht der Fa. Harmuth / Fa. Lobbe, eine Altanlage im Essener Stadthafen wieder in Betrieb zu nehmen (s. Meldung vom 04.07.2019), bereits einen sog. Scoping-Termin. Eingeladen hatte die Bezirksregierung in Düsseldorf, bei der die Betreibergesellschaft der oben genannten Firmen ihre Pläne vorstellten.
Die BUND Kreisgruppe Essen geht davon aus, dass die Betreibergesellschaft demnächst eine Genehmigung für die Inbetriebnahme beantragen wird. Dazu ist auf Veranlassung der Bezirksregierung Düsseldorf eine Umweltverträglichkeitsuntersuchung zu erstellen und die Öffentlichkeit zu beteiligen. Die Umweltverträglichkeitsuntersuchung wird von einem vom Betreiber beauftragten und bezahlten Unternehmen erstellt und später von der Bezirksregierung geprüft. Die Öffentlichkeitsbeteiligung bedeutet, dass die Antragsunterlagen für den Betrieb der Verbrennungsanlage nach Ankündigung 4 Wochen ausgelegt werden und Bürgerinnen und Bürger sowie Umweltverbände Einsprüche gegen das Vorhaben erheben können (siehe unsere weiteren Erläuterungen zum Verfahren).
Wir möchten an dieser Stelle über den möglichen Zusammenhang zwischen möglichen schädlichen Immissionen (Gase und Stäube aus der Verbrennungsanlage, denen die Bevölkerung unter Umständen ausgesetzt ist und die sich auf Boden und Pflanzen niederschlagen) und der Wahl der Rauchgasreinigungstechnik informieren:
Was und wie viel kommt „vorne“ rein und was und wie viel kommt „hinten“ raus?
Die Antragsteller geben für ihre Verbrennungsanlage bestimmte errechnete Immissionswerte (Gase und Stäube, die in den Stadtteilen insgesamt emittiert werden) an. Die Immissionen werden theoretisch in Abhängigkeit von Schornsteinhöhe, Meteorologie, Bebauung, Gelände und weiteren Faktoren in einer bestimmten Entfernung vom Schornstein berechnet. Die Auswirkungen auf die Umwelt und die Bevölkerung werden auf der Grundlage der theoretisch errechneten Immissionswerte[1] beschrieben.
Grundlage für diese Berechnung sind die vom Betreiber erwarteten Emissionen (die Abgase und Stäube, die aus dem Schornstein und den diffusen Quellen der übrigen Anlage abgegeben werden).
Bisher ist noch nicht bekannt, mit welchen Emissionen gerechnet werden kann. Für die Verbrennung von Abfällen, die nicht als gefährlich gekennzeichnet sind, ist eine Mindesttemperatur von 850 °C (§ 6 Abs. 1, 17. BImSchV) und eine gewisse Verweildauer der Gase im Verbrennungsraum vorgeschrieben („Gutachterliche“ Ausnahmen sind möglich). Bei der Verbrennung von gefährlichen Abfällen mit einem Halogengehalt aus halogenorganischen Stoffen von mehr als 1 Prozent des Gewichts, berechnet als Chlor, hat der Betreiber dafür zu sorgen, dass abweichend von Absatz 1 eine Mindesttemperatur von 1 100 Grad Celsius eingehalten wird (§ 6 Abs. 2, 17.BImSchV). Die Mindesttemperatur muss auch unter ungünstigsten Bedingungen bei gleichmäßiger Durchmischung der Verbrennungsgase mit der Verbrennungsluft für eine Verweilzeit von mindestens zwei Sekunden eingehalten werden (§ 6 Abs. 3, 17.BImSchV). Die im Scoping-Termin vorgelegtenzukünftigen neuen Abfallarten enthalten aber hohe Halogengehalte, zu deren unschädlicher Verbrennung eine Mindesttemperatur von 1100 ° C zwingend erforderlich ist (s.o.). Wir befürchten, dass die stillgelegte Anlage ohne entsprechende Ertüchtigung wohl nicht mit einer Mindesttemperatur von 1100 ° C betrieben werden kann, sodass auf keinen Fall Abfälle mit mehr als 1 % halogenorganischen Verbindungen in die Anlage gelangen dürfen.
Ein weiterer wichtiger Umstand ist zu beachten: Die für Müllverbrennungsanlagen wichtige Vorschrift der 17. BImSchV ist veraltet und lässt viel zu hohe Emissionen zu. Auf europäischer Ebene gibt es die BVT-Merkblätter (BVT = BestVerfügbareTechnik) für Abfallverbrennungsanlagen. Ein neues Merkblatt dazu, dessen Entwurf bereits vorliegt, wird wohl noch in 2019 verabschiedet werden. In dessen Folge muss auch die 17. BImSchV überarbeitet werden. Das neue BVT-Merkblatt für Abfallverbrennungsanlagen sieht deutlich niedrigere Emissionen vor als die überalterte 17. BImSchV. Dass diese Vorschrift nicht den Stand der besten verfügbaren Technik darstellen kann wird klar, wenn man die Veröffentlichung der ITAD (Interessengemeinschaft der thermischen Abfallbehandlungsanlagen e.V.), „Betreiber von Abfallverbrennungsanlagen im Spannungsfeld des BVT-Merkblatts“ ansieht. Die Auswertung von 188 Verbrennungslinien ergab in dieser Veröffentlichung, dass die Müllverbrennungsanlagen angeblich im Durchschnitt wesentlich geringere Konzentrationen an Schadstoffen (zum Teil nur 10 bis 20 %) emittieren als die geltende 17. BImSchV als Grenzwerte zulässt. Damit kann die derzeitige überalterte 17. BImSchV keine Maß für die bestverfügbare Technik darstellen und auch keine Genehmigungsgrundlage mehr sein. Darüber hinaus sehen wir auch eine (auf Grundlage der BVT-Merkblätter) novellierte 17. BImSchV sehr kritisch.
Warum beantragen Müllverbrennungsanlagenbetreiber dennoch viel höhere Emissionswerte als sie nach Stand von Wissenschaft und Technik einhalten könnten? Könnten somit auch gefährliche Abfälle mit hohem Schadstoffgehalt billig verbrannt werden?
Wir stellen uns des Weiteren die Frage, ob an der Rauchgasanlage gespart werden soll, um wohlmöglich höhere Gewinne zu erzielen – auf Kosten der Gesundheit der Anwohner. Auch aus diesem Grund wird der BUND nach Antragseröffnung genau hinschauen.
Die Effektivität der Rauchgasreinigungstechnik hängt von mehreren Faktoren ab. Dies sind: Die Art der Reinigungstechnik, die Qualität der Technik und die Art, Menge und Verteilung von Zusatzstoffen zur Bindung der Schadstoffe im Rauchgas. Anbieter vor Rauchgasreinigungstechnik geben abhängig von der Zusammensetzung und Konzentration der Schadstoffe im Rauchgas Garantien für die Minderung der Schadstoffe von Rohgas (nach Verbrennung, vor Rauchgasreinigung) zum Reingas (nach Rauchgasreinigung) dem Betreiber gegenüber ab. Diese garantierte Minderung wird für jeden Schadstoff einzeln je nach erwarteter Konzentration im Rohgas abgegeben Beispiel (Konzentration im Rohgas Annahme): Für Cadmium von 10 mg/Nm³ im Rohgas 99,8 % Verminderung zum Reingas. Dann beträgt die Emission 20 µg/Nm³.Für Quecksilber von 300 µg/Nm³ im Rohgas 90 % Verminderung zum Reingas. Dann beträgt die Emission 30 µg/Nm³. Die Rohgaskonzentrationen an Schadstoffen sind insbesondere hinsichtlich der Schwermetalle von der Konzentration der Schwermetalle in den Abfällen, die in die Verbrennungsanlage eingegeben werden, abhängig, da die Schwermetalle im Verbrennungsprozess nicht zerstört werden. Die Schwermetalle gehen zum Teil in die Verbrennungsschlacke, aber auch zu einem Teil in das Rohgas über.. Eine Rauchgasreinigungsanlage, die bei niedrigen Schadstoffwerten in den Abfällen geeignet ist, kann bei höheren Schadstoffwerten in den Abfällen vollkommen überfordert sein und dazu führen, dass die berechneten Emissionswerte nicht eingehalten werden. Auch soll der Durchsatz der geplanten Verbrennungsanlage auch noch fast verdoppelt werden.
Alle Aussagen zu den Umweltauswirkungen sind nichts wert, wenn die Effektivität der Rauchgasreinigungsanlage hinsichtlich der einzelnen Schadstoffe von den Herstellern nicht garantiert und dokumentiert wurde. Für gefährliche Abfälle sind Sondermüllverbrennungsanlagen vorgesehen, die mit mehr als 1.100 ° C und einer aufwändigen Rauchgasreinigungsanlage arbeiten. Die derzeit noch stillgelegte Verbrennungsanlage wird mit den beantragten Abfällen zur Sondermüllverbrennungsanlage. Am Beispiel der Sondermüllverbrennungsanlage der GSB Bayern wird deutlich, dass zur Verbrennung von Sonderabfällen ein Drehrohrofen mit 1200 °C, eine Rauchgasreinigungsanlage mit Nachbrennkammer, Elektrofilter, dreistufiger Rauchgaswäsche, Eingabe von Kalkhydrat-Aktivkoks und Gewebefilter zur Abscheidung der Schadstoffe erforderlich sind. Anhand der uns bekanntgewordenen Scoping-Unterlagen planen die Antragsteller im Essener Hafengebiet bei ihrer Verbrennungsanlage keine Hochtemperatur, statt Elektrofilter nur einen Zyklon, keine Nachbrennkammer und keine dreistufige Rauchgaswäsche. Harmuths alte Verbrennungsanlage entspricht unserer Auffassung nach eben nicht dem Stand der bestverfügbaren Technik für das Verbrennen von gefährlichen Abfällen, ob das nach der beantragten „wesentlichen Änderung“ der Fall sein wird, bezweifeln wir
Darüber hinaus gilt allgemein das, was der BUND seit langem fordert:
- Höhere Recyclingquoten und stärkere Anreize zur Vermeidung festzuschreiben
- Vermeiden vor Recycling, Recycling vor Beseitigung!
Lesen Sie dazu auch die BUND-Informationen: Abfallvermeidung und -verwertung: Klima- und Ressourcenschutz
BUND-Kreisgruppe Essen
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