Ökologie & Heimat
Gutes Leben für alle oder die Rückkehr der braunen Naturschützer?
Marie-Rose-Joos schreibt ihre Eindrücke zum neu erschienenen Buch von Pierre Ibisch und Jörg Sommer "Ökologie & Heimat".
Das Thema, wie rechtsnationale Gruppierungen der Sicherung unserer globalen Ressourcen ihr rückwärtsgewandtes Weltbild aufdrücken wollen, ist brandaktuell. Lesen Sie selbst:
Ökologie und Heimat – Gutes Leben für alle oder die Rückkehr der braunen Naturschützer?
Jahrbuch Ökologie 2021, Hirzel Verlag 2020
Das im Hirzel-Verlag 2020 herausgegebene Jahrbuch umfasst 20 Beiträge, die in die Kapitel: „Heimat: unrettbar verloren?“, „Braune Ökologie und völkischer Naturschutz“, „Heimaten in der globalisierten Welt“ und „Pfade zum guten Leben“ gegliedert sind.
Als Biologin hat es mich beschämt, von Ernst Haeckel, dem Evolutionsforscher, zu lesen, wie er 1915 der Euthanasie den Weg ebnete: „Eine kleine Dosis Morphium oder Zyankali würde… diese bedauernswerten Geschöpfe… von der Last eines langjährigen, wertlosen und qualvollen Daseins zu befreien.“ Auch dass Herbert Gruhl („Ein Planet wird geplündert“) rechtsradikale Tendenzen hatte, war mir nicht bekannt. Und dass Holger Strohm, Atomkraftgegner der 1. Stunde, seit einigen Jahren Verschwörungstheorien anhängt und mit Rechtsgerichteten kooperiert, ist für jeden Umweltschützer bitter.
„Naturschützer haben den Nationalsozialisten mit das Feld bereitet… Es gab kaum ein Bewusstsein dafür, dass der völkische Naturschutz zu dem Verfall der Menschlichkeit beigetragen hat.“ Siehe: „nur der deutsche Naturschutz werde ‚die Verwahrlosung des Volkes‘ verhindern“.
Heute machen Querfront-Bestrebungen wie z. B. gegen die Corona-Maßnahmen rechtslastige Parteien und Gruppierungen „hoffähig“ und tragen rechtes Gedankengut in die Mitte der Gesellschaft.
In der modernen Ökologie haben wichtige Begriffe wie „das ökologische Gleichgewicht“ oder die „Klimaxsituation“ ganz oder zum größten Teil ausgedient, denn auch die Bereiche des Lebendigen unterliegen der Thermodynamik, sie streben - vereinfacht gesagt - der Unordnung zu, weisen Kipppunkte auf und erreichen nur zeitweise ein Gleichgewicht. Sich dessen bewusst zu sein, wird auf längere Sicht in Diskussionen um (echte) Nachhaltigkeit, nicht nur als Lippenbekenntnis, hilfreich sein.
Dörte Themann und Achim Brunnengräber gehen in ihrem Beitrag auf die Nord-Süd-Dimension unserer Umweltbemühungen ein: z. B. spart ein E-Auto im Norden CO2, im globalen Süden bewirkt es dagegen Landschaftszerstörung. In vielen Beiträgen schwingt Kapitalismuskritik mit, was in der Forderung gipfelt, die „imperiale Lebensweise“ müsse überwunden werden. In Deutschland fehlt bisher eine Aufarbeitung des Kolonialismus, der die industrielle Revolution erst möglich gemacht hat. „Weil die Politik der Rechten das gute Leben mancher auf Kosten anderer zu verteidigen verspricht, ist sie für viele attraktiv und zudem anschlussfähig an neoliberal-standortnationalistische Positionen.“
Den Beitrag von Alberto Acosta: „Das gute Leben mit Mutter Erde“ habe ich sehr gespannt, aber wenig erfolgreich gelesen, denn das Übermaß an Fremdwörtern minderte die Verständlichkeit deutlich. Mitnehmen konnte ich, dass aus den Erfahrungen indigener Völker, die eine Anpassung an die Natur und nicht ihre Unterwerfung praktizieren, eine Vielzahl nachhaltiger Lebensmodelle notwendig ist statt eines Modells für die ganze Erde.
Im letzten Beitrag: „Für einen globalen Ökohumanismus“ üben Pierre Ibisch und Jörg Sommer Kritik an den Wissenschaftlern, die dunkle Zukunftsszenarien zeichnen, oft ohne klare Punkte zu benennen, wie man es zum Positiven ändern kann. Trotz aller Probleme fechten die Autoren für eine Utopie: „Die Bewahrung der Heimat Erde mit ihrem globalen Ökosystem, von dem wir eine vom Rest abhängige Komponente sind, ist keine illegale oder irrelevante Utopie, nur, weil sie schwierig zu erreichen ist.“
„Ja, es muss ein Primat der Ökologie gelten, denn nur wenn die uns tragenden Ökosysteme funktionieren, werden wir leben und wirtschaften…. Aber: Die Antwort - auf die Schlüsselfrage Ökologie – ist ohne eine globale Gerechtigkeitswende nicht realisierbar.“ Also das Fazit: „Die Ökologie wird unterbewertet, aber die soziale Frage ist die entscheidende.“
Um den Bogen zum Titel des Buches zu schlagen: Der Begriff Heimat ist dann politisch unbedenklich, wertvoll und positiv besetzt, wenn er für alle offen ist und niemanden ausgrenzt; unsere Aufgabe ist es, vertraute schöne Landschaften, die zu diesem Begriff gehören, zu schützen.