Stellung nehmen 2

26. August 2019

Zweiter Teil der Fortbildungsreihe in der Voßgätter Mühle zum Arten- und Bodenschutz

 (Martin Kaiser)

An einem sonnigen Samstag im Juni trafen sich zum zweiten Mal Naturschützer verbandsübergreifend zum Thema „Stellungnahmen schreiben“. Diesmal hatte der NABU seine schönen Räume im Natur- und Jugendzentrum Voßgätters Mühle in Essen-Borbeck zur Verfügung gestellt.

Auf dem Programm (pdf) standen die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung und der Arten- und Bodenschutz. Unser angefragter Referent war kurzfristig verhindert, aber Andreas Bolle (BUND Essen) und Thomas Hübscher (LNU) aus dem Planungsteam konnten mit ihrer jahrelangen Erfahrung und unterstützt von Anna Heinrichs (BUND Essen) die wesentliche Inhalte vermitteln. Los ging es mit der „Eingriffsregelung“: Vermeidung, Minderung, Ausgleich und Ersatz von Eingriffen in die Natur. Bei der nachfolgenden Berechnung der erforderlichen „Kompensationsmaßnahmen“ war das große 1x1 durchaus hilfreich und die Aufgabe damit lösbar. Nach einer kurzen Kaffeepause folgte der Artenschutz: „Planungsrelevante Arten“? Ah ja! Nicht nur eingefleischte Artenschützer freut, dass die Belange des Artenschutzes anders als viele andere Belange nicht „weggewogen“ werden können. Die Vorstellung einiger Datenportale im Internet gab es als Zugabe zum Thema und als wertvolle Arbeitsgrundlage.

Bei der mittäglichen Exkursion mit Thomas Hübscher mussten die Teilnehmenden nicht lange laufen. Die Fläche einer geplanten Kanalbaumaßnahme der Stadtwerke zum Pausmühlenbach lag direkt vor der Tür. Dass „Boden“ eine sehr lebendige schützenswerte Sache ist, die für den Kreislauf des Wassers unerlässlich ist und die unserem Planeten erst seinen Namen gab, war im wahrsten Sinne des Wortes „greifbar“. Deutlich wurde auch, dass „Verdichtung“ und „Versiegelung“ wenn schon nicht verhindert, dann doch wenigstens gemindert oder eben an anderer Stelle ausgeglichen werden müssen. Beim angesprochenen Kanalbau waren die Eingriffsflächen daher verringert und teilweise unmittelbar an die Straße verlegt worden. Pech nur, dass ein Sperberpärchen gesichtet wurde, das in der Nähe brütete. Das muss geschützt werden! Hier können die örtlichen Naturschutzverbände ihre Stärke bei der Kenntnis der örtlichen Gegebenheiten ausspielen und in Stellungnahmen Alternativvorschläge machen.

Alle hätten angeregt weiterdiskutiert, wenn nicht das bestellte Pizza-Taxi zur Mittagspause um die Ecke gebogen wäre. Nach der Pause wurde es dann ernst: Ein bereits umgesetzter Bebauungsplan wurde probeweise in zwei Arbeitsgruppen aufgeteilt und besprochen. In der großen Runde wurden dann die Erkenntnisse vorgetragen: Vehement hatten sich alle auf die Verteidigung der vorhandenen Freifläche gestürzt: Eine Ackerfläche die innerstädtisch am Rand einer bestehenden Straße mit Wohnhäusern bebaut werden sollte. „Und wenn es da eine Feldlerche gibt?“ Wie ist der Boden zu bewerten, Welche Festsetzungen sollen die Eingriffe minimieren? Manch eine der vorgetragenen Bewertungen hielt einer kritischen Nachfrage durch die Referenten nicht stand, anderes war Gegenstand engagierter Diskussionen. Und gerade die Abwägung, was von einer kritischen Sichtweise gehört in eine Stellungnahme und was lässt sich nur auf anderen Wegen erreichen, war in der Gruppe viel leichter herauszuarbeiten, als in einsamen Hausarbeiten...

Das gemeinsame Miteinander machte offensichtlich auch Spaß und machte allen Mut zum Weitermachen: Wahrscheinlich im Oktober steht das nächste (gerade äußerst populäre) Teilthema an: „Klimaschutz in der Bauleitplanung“. Dann wieder mit einem Impulsreferat eines renommierten Referenten. Man darf gespannt sein.

Da ein völliger Planungs- und Baustopp kaum den politischen Realitäten entspricht, gilt, wenn gebaut werden muss, dann sollte der Naturschutz wesentlichen Anteil an der Auswahl der bestgeeigneten Flächen haben. Andiskutiert wurde dazu eine mögliche Herangehensweise, mit der sich rasch die grundsätzliche Eignung einer Fläche für eine bauliche Nutzung einschätzen lässt. Unterschieden wurden sechs Kategorien:

  1. Flächen, die bereits vorher (baulich) genutzt waren und erschlossen sind – hier würde nur ein besonderes Entwicklungspotential zu einer grundsätzlichen Ablehnung führen.
  2. Flächen, die bereits vorher (baulich) genutzt waren, aber aktuell nicht erschlossen sind – hier sollten alle Potentiale (Bebauung und sonstiges Potential) ermittelt und aus umwelt-/stadtökologischer Sicht Schwerpunkte gesetzt werden.
  3. Flächen, die bereits erschlossen sind, sich aber aktuell als Freifläche darstellen (dann aber nur für eine einzeilige Bebauung, die keine weitere Erschließung erfordert) – hier gilt es genau hinzusehen!
  4. Flächen mit durchschnittlichen Standortmerkmalen – diese sollten in der Regel bereits ausscheiden!
  5. Freiflächen abseits vorhandener Siedlungsflächen (z.B. das Flughafengelände) - diese sollten aus prinzipiellen Erwägungen (also ohne Beachtung der Standortcharakteristika) ausscheiden. Das macht man einfach nicht mehr!
  6. Flächen mit besonderen Standortmerkmalen (natürliche „Extremstandorte“ wie feuchte/nasse Flächen an Bächen, natürliche Trockenstandorte) – diese scheiden generell aus!

Bei allen Flächentypen kann sich durch Belange des Biotop- und Artenschutzes oder der Bewertung des Entwicklungspotentials grundsätzlich eine andere Schlussbewertung ergeben. Die Bewertungsschritte berücksichtigen zudem nur die Belange des Naturhaushaltes, nicht die des Verkehrs bzw. der Verkehrsanbindung („Stadt der kurzen Wege“, „Baugebiete an die Bahn“ etc.) oder sozialer Belange („Kleingärten und Sportanlagen erhalten?“).

 

Martin Kaiser, Andreas Bolle, 26.08.2019

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