BUND-Kreisgruppe Essen

Das neue Abfallwirtschaftskonzept – der „Grünen Hauptstadt Europas“ nicht würdig

12. Mai 2022

Das brandneue Abfallwirtschaftskonzept der Stadt hat sich BUND-Mitglied Dr. Andreas Müller genauer angesehen und kommt zu einem weit weniger euphorischen Urteil als die Stadtregierung aus CDU und Grünen.

Nichts hat mit nichts zu tun - Füllworte aneinandergereiht

Das neue, für fünf Jahre geltende Abfallwirtschaftskonzept (AWK) der Stadt Essen genügt den gesetzlichen Anforderungen. Kein Kunststück, sind diese doch gering genug. Doch schon bei einer ersten Durchsicht fällt auf, dass es dem Konzept an allem mangelt, was für eine ernsthafte politische Beratung nötig gewesen wäre:

  • Es gibt keine nachvollziehbaren Zusammenhänge zwischen den Tatsachenfeststellungen (wie denen zu Abfallmengen) und den formulierten Zielen
  • Es ist nicht nachvollziehbar, welche Zusammenhänge zwischen den Zielen und den festgelegten Maßnahmen bestehen - oftmals fehlt sogar die Unterscheidung zwischen Zielen und Maßnahmen
  • Viele "Ziele" sind so formuliert, dass man ihre Erreichung nicht sinnvoll prüfen kann (um ggf. nach- oder gegenzusteuern zu können).

 

Vielleicht mal ein „Pilotversuch“ - die Nullnummer beim Bioabfall

Besonders kritisch der Umgang mit dem Thema „Bioabfall“. Hier liegt die Stadt Essen bezogen auf den Anteil getrennt gesammelter Bio- und Grünabfälle nur auf dem 10. Platz von 12 Kommunen vergleichbarer Struktur. Trotzdem werden daraus keine klaren Schlussfolgerungen gezogen. Zu Bio- und Grünabfällen trifft das Konzept folgende bemerkenswert inhaltsleere Aussage: „Da beide Abfallfraktionen in den letzten Jahren rückläufig waren, bedarf es allerdings hier großer Anstrengung bei der Öffentlichkeitsarbeit, um diesen Trend umzukehren. Eine weitere Möglichkeit besteht in der Durchführung von Pilotversuchen zur Ausweitung der Biotonne in definierten Stadtteilen oder auch Großwohnanlagen.“ Essen hinkt also seit langem gewaltig hinterher und sieht nur eine „Möglichkeit“ zu einem Pilotversuch?

Wie wäre es, einmal bei denen nachzufragen, die es besser machen (Bonn oder Wuppertal zum Beispiel)? Auch eine „Grüne Hauptstadt“ könnte schnell von Anderen lernen und muss das Rad nicht immer neu erfinden.

Fast schon symptomatisch: Anders als in der Pressemitteilung von CDU und Grünen behauptet, sollen Bioabfälle zwar stärker erfasst werden, von der behaupteten „Methangewinnung“ zum Klimaschutz findet sich im Konzept aber kein Wort.

 

Ehrgeizige Ziele oder leere Worte? - Unsere „Grüne Hauptstadt“

Zum Start in die „Grüne Dekade bis 2027“ hatte die Verwaltung zur Verleihung des Titels „Grüne Hauptstadt Europas“ noch selbstbewusst ausgeführt: „Mit dem Titel wird eine europäische Stadt ausgezeichnet, die nachweislich hohe Umweltstandards erreicht hat und fortlaufend ehrgeizige Ziele für die Weiterverbesserung des Umweltschutzes und der nachhaltigen Entwicklung verfolgt.“ Davon ist – nicht nur beim Abfallwirtschaftskonzept ­– nicht viel zu merken. Denn oberhalb der gesetzlichen Mindestanforderungen findet sich im AWK gar nichts. So sind selbst die im Konzept formulierten „wichtigsten geplanten Maßnahmen an Trivialität nur schwer zu unterbieten. Hier einige Beispiele:

  • „Die Abfallvermeidung und Vorbereitung zur Wiederverwendung werden zunehmend in den Fokus gerückt. Dazu erstellt die Stadt Essen im Fortschreibungszeitraum des AWIKO ein Abfallvermeidungskonzept.“
  • Es sollen laufend Konzepte zur Gebührenstabilisierung und Anreizwirkung geprüft werden.
  • Der Möglichkeit der Einführung einer Wertstofftonne wird weiterhin nachgegangen.
  • Die Vergärung von Bioabfällen steht auch zukünftig im Rahmen etwaiger Kooperationen auf der Agenda. Ferner prüft die Stadt Essen, durch welche Maßnahmen eine Steigerung der Bioabfallmenge unter Einhaltung der notwendigen Qualität erfolgen kann.
  • „Die Erfassung von Wertstoffen mit Hol- und Bringsystemen wird laufend auf mögliche technische und wirtschaftliche Verbesserungen überprüft und erweitert.

Die abfallwirtschaftlichen "Maßnahmen" der Grünen Hauptstadt Europas mit der sie „fortlaufend ehrgeizige Ziele für die Weiterverbesserung des Umweltschutzes und der nachhaltigen Entwicklung verfolgt“, sind also:

  • in den Fokus rücken
  • Konzepte erstellen
  • Konzepte prüfen
  • Möglichkeiten nachgehen
  • Maßnahmen prüfen
  • Systeme auf mögliche Verbesserungen überprüfen und erweitern

Dies alles lässt keine Bereitschaft für ein effektives Management der Stoffströme in der Grünen Hauptstadt Europas für die nächsten fünf Jahre erkennen. Auch wenn die gesetzlichen Anforderungen an ein Abfallwirtschaftskonzept gering sind, sollte eine „Grüne Hauptstadt“ ein Konzept vorlegen, das den Namen auch verdient. Und nicht stattdessen auf noch zu erstellende weitere Konzepte verweisen, die in einer nicht näher definierten Zukunft beschlossen werden sollen.

Die Anmerkungen gibt es auch hier als PDF. 

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