BUND-Kreisgruppe Essen

Fischsterben: Interview mit dem Fischbiologen Markus Paster

18. März 2024

Der BUND sieht sich abermals in seiner Kritik bestätigt, dass man es hätte wissen können und müssen und das in jedem Fall entsprechende Fischuntersuchungen hätten erfolgen müssen.

Fischsterben unvermeidlich – wozu bedurfte es weiterer Messergebnisse?

Der BUND Essen hat im Nachgang der neuen Diskussion rund um den Jahrestag des katastrophalen Fischsterbens im Hardenberger Bach und im Deilbach ein kurzes schriftliches Interview mit dem Fischexperten Markus Paster geführt. Dieser stellt klar: Das Fischsterben bei der Menge eingeleiteter Gülle war unvermeidbar. Der BUND sieht sich bestätigt: Eigentlich hätte es sofort einer Fischuntersuchung bedurft, um den Schaden beurteilen und das weitere Vorgehen fundiert planen zu können. Da die Daten zum Fischsterben – wenn auch zu spät – erhoben wurden, ist weiterhin ein Gutachten nach Umweltschadensrecht (*s. unten) möglich und zu fordern.

Staatsanwalt bedauert Verursacher: „Armer Kerl“

Die Staatsanwaltschaft Wuppertal hat das Ermittlungsverfahren gegen den Landwirt eingestellt. In einem Beitrag zum Jahrestag des Fischsterbens in der Westdeutschen Zeitung vom 26.02.2024 heißt es: „Die Staatsanwaltschaft Wuppertal leitete ein Ermittlungsverfahren gegen den Bauern wegen des Anfangsverdachts der fahrlässigen Gewässerverunreinigung ein. „Der arme Kerl konnte nichts dafür, dass er auf einmal bis zu den Knien in der Gülle stand. Ihm ist kein strafrechtliches Fehlverhalten nachzuweisen. Das Verfahren wird eingestellt“, teilte Oberstaatsanwalt Wolf-Tilman Baumert der Westdeutschen Zeitung auf Anfrage mit, der bereits vor einem Jahr gemutmaßt hatte, dass es Ursachen gibt, ohne dass jemand dafür verantwortlich ist.

Der Bauer vom Igelsbrucher Hof hat inzwischen die Entnahmetechnik des Güllebehälters erneuern lassen und weitere Maßnahmen veranlasst. „Das war kein Schnapper, das hat ordentlich Geld gekostet, dass dem Betrieb an anderer Stelle fehlt“, sagt Martin Mühlinghaus. Er lobt die Zusammenarbeit mit den Behörden: „Wir haben einen guten Weg gefunden.“

Fazit: Jeder weist die Verantwortung von sich

„Einen guten Weg gefunden“? – Beim Fischsterben wegzuschauen, technisch hinfällige Anlagen bis zum Versagen weiterzubetreiben und dann noch deren Erneuerung zu loben, wenn der Unfall fast vergessen ist? Diese Aussage wird dem Sachverhalt wohl kaum gerecht. Das belegt auch unser Interview mit dem Fischbiologen Markus Paster:

Das Interview im Wortlaut:

Herr Paster, Sie haben, ohne damit beauftragt worden zu sein zwei Untersuchungen der Fischfauna im Hardenberger Bach durchgeführt. Erst damit konnte zweifelsfrei ein Massensterben von Fischen nachgewiesen werden, während die Behörden diese Untersuchung nicht angeschoben haben. Vielen Dank für diesen Einsatz.

Frage: In der Öffentlichkeit werden zum ersten Jahrestag des Fischsterbens Fragen danach gestellt, warum die gezielten Untersuchungen zum Fischbestand nicht behördlich angeordnet wurden. Gab es keine Hinweise auf das Fischsterben?

Antwort: Etwa 700.000 Liter Gülle sind in die Gewässer Igelsbach, Hardenberger Bach und Deilbach geflossen, was zu einem unvermeidbaren Fischsterben geführt hat. Gülle ist besonders schädlich für Gewässer, da sie Ammonium enthält, das in hoher Konzentration giftig für Fische und andere Wasserlebewesen ist. Dieses Ammonium kann sich in noch giftigeres Ammoniak umwandeln, besonders bei einem höheren pH-Wert.

Ein weiteres großes Problem ist der Sauerstoffmangel. Die Zersetzung der Gülle durch Mikroorganismen verbraucht viel Sauerstoff, was zu einem kritischen Sauerstoffdefizit führen kann. Dieser Zustand, bekannt als Hypoxie, bedroht das Überleben von aquatischen Organismen, da der erhöhte Verbrauch durch die Zersetzung der organischen Stoffe in der Gülle den Sauerstoff im Wasser rapide verringert.

Zudem führt der Prozess der Nitrifikation, bei dem Ammonium im Wasser zu Nitrat umgewandelt wird, nicht nur zu einem weiteren Sauerstoffverbrauch, sondern kann auch die Versauerung des Wassers bewirken. Diese Veränderungen im Wasser haben schwerwiegende Folgen für die Wasserqualität und die darin lebenden Organismen.

Zusammenfassend hat der Eintrag großer Mengen an Gülle in die Gewässer zu einer Kette von Umweltproblemen geführt, darunter die Giftigkeit durch Ammonium, ein dramatischer Sauerstoffmangel und die Versauerung des Wassers, die alle erhebliche Schäden für das aquatische Ökosystem verursacht haben.

Frage: Erhoben wurden laut Kreis Mettmann nicht näher benannte chemische Daten in den Bächen und im Grundwasser sowie das Makrozoobenthos. Kann anhand der üblichen chemischen Parameter wie Sauerstoff auf ein Fischsterben geschlossen werden?

Antwort: Die Untersuchungen der Wasserproben aus den betroffenen Gewässern Igelsbach, Hardenberger Bach und Deilbach wurden vermutlich erst nach dem Ereignis der Gülleflut durchgeführt. Daher könnten die ursprünglich hohen Konzentrationen der schädlichen Stoffe zum Zeitpunkt der Probenentnahme bereits abgenommen haben. Trotzdem lassen sich Stickstoffverbindungen wie Ammonium, Nitrit und Nitrat, die in der Gülle in hohen Mengen vorkommen, in den Wasserproben bestimmt nachweisen. Die Daten sind mir aber nicht bekannt.

Durch theoretische Berechnungen, die die Menge der eingeleiteten Gülle und den Wasserabfluss berücksichtigen, kann die Toxizität der Verunreinigung abgeschätzt werden. Solche Berechnungen erfordern Fachwissen, das Chemiker oder Fischereibiologen bereitstellen können. Diese Experten können auf Basis der verfügbaren Daten präzise Einschätzungen über die Umweltauswirkungen des Gülleeintrags geben und somit wertvolle Erkenntnisse über die tatsächliche Gefährdung liefern. Ob dieses passiert ist, ist mir nicht bekannt.

Frage: Und wie sieht es mit der Aussagekraft des Makrozoobenthos aus?

Antwort: Das Makrozoobenthos, die Gemeinschaft kleiner Wasserinsektenlarven und anderer Bodenlebewesen, besitzt die Fähigkeit, sich in tieferen Schichten der Gewässersohle zu verstecken. Diese Strategie könnte es ihnen theoretisch ermöglichen, einer giftigen Flutwelle zu entkommen. Trotzdem wurden im Igelsbach und kurz unterhalb im Hardenberger Bache eine bemerkenswert hohe Anzahl an toten Insektenlarven und kleinen Wassertieren wie Bachflohkrebsen sowohl an den Ufern als auch im Wasser selbst gefunden. Dies deutet darauf hin, dass die Schadstoffbelastung so hoch war, dass selbst das normalerweise geschützte Makrozoobenthos betroffen war.

Um die Auswirkungen solcher Ereignisse genauer zu erfassen und zu verstehen, wäre es notwendig gewesen, in regelmäßigen Abständen entlang der betroffenen Gewässer Proben zu entnehmen. Eine schrittweise Beprobung über Distanzen von 1000 bis 2000 Metern hätte detailliertere Informationen über die räumliche Verteilung der Schadstoffe und die Intensität ihrer Auswirkungen auf die Wasserökologie liefern können. Solch ein systematischer Ansatz würde es ermöglichen, die Verbreitung und das Ausmaß der Umweltschäden auch auf die weiteren Wasserlebewesen präzise zu dokumentieren und zu analysieren.

Frage: Der Bergisch-Rheinische Wasserverband (BRW) verweist auf nur 363 tot abgesammelte Fische. Wie verträgt sich das mit dem von Ihnen nachgewiesenen Erlöschen der Fischpopulation, also mehr als 10.000 tote Fische?

Antwort: Bei unserer fischereibiologischen Untersuchung zeigte sich, dass allein unter Steinen und Wurzeln auf einer kurzen Strecke von einigen hundert Metern eine große Anzahl toter Fische gefunden werden konnte. Es ist wichtig zu beachten, dass einige Fischarten, wie die Groppe, die im Hardenberger Bach und im Deilbach in hohen Dichten vorkam und keine Schwimmblase besitzt, beim Tod zu Boden sinken. Die Sohlstruktur der Gewässer trägt dazu bei, dass viele Fische unter Steinen und Wurzelwerk festgehalten werden und dort heimlich verenden. Man muss wissen, wo die verendeten Fische zu suchen sind.

Zudem ist zu berücksichtigen, dass größere Fische oft schnell von Prädatoren wie Waschbären, Füchsen, Dachsen sowie Reiher und Möwen erbeutet werden. Trotz dieser natürlichen Entnahme waren die tatsächlich beobachteten toten Fische im Gewässer zahlreicher als die offiziell gezählten 363 Exemplare. Diese Beobachtungen unterstreichen die Schwere des Fischsterbens.


*Gesetz über die Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden (Umweltschadensgesetz - USchadG)

§ 2 Begriffsbestimmungen

Im Sinne dieses Gesetzes sind

1.   Umweltschaden:

  1. eine Schädigung von Arten und natürlichen Lebensräumen nach Maßgabe des § 19 des Bundesnaturschutzgesetzes,
  2. eine Schädigung der Gewässer nach Maßgabe des § 90 des Wasserhaushaltsgesetzes,
  3. eine Schädigung des Bodens durch eine Beeinträchtigung der Bodenfunktionen im Sinn des § 2 Absatz 2 des Bundes-Bodenschutzgesetzes, die durch eine direkte oder indirekte Einbringung von Stoffen, Zubereitungen, Organismen oder Mikroorganismen auf, in oder unter den Boden hervorgerufen wurde und Gefahren für die menschliche Gesundheit verursacht;

2.   Schaden oder Schädigung: eine direkt oder indirekt eintretende feststellbare nachteilige Veränderung einer natürlichen Ressource (Arten und natürliche Lebensräume, Gewässer und Boden) oder Beeinträchtigung der Funktion einer natürlichen Ressource

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