BUND-Kreisgruppe Essen

„Fledermaus verzögert Verfüllung“– Ein Lehrstück der Irreführung

26. Februar 2024

NRZ 08.08.2023

Fledermäuse verzögern angeblich die Verfüllung des Deilbachgewölbes. In diesem letzten und seit etwa 100 Jahren verrohrten Abschnitt unter dem ehemaligen Zechengelände Prinz-Friedrich befindet sich ein größeres und daher besonders schutzwürdiges Fledermausquartier. Keine neue Erkenntnis, sondern seit den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts bekannt.

Fehldarstellung der Presse? Nicht ganz, denn die hatte den Artikel auf der Grundlage einer Vorlage des Umweltamtes für den Umweltausschuss verfasst und diese konnte man genau so lesen. Dennoch eine geradezu lehrbuchmäßige Verdrehung der Fakten.

Zum Hintergrund:

Die Stadt Essen würde sich gerne des Problems entledigen, eine in die Jahre gekommene Gewässerverrohrung unterhalten zu müssen. Diese Verrohrung liegt unter dem Gelände der ehemaligen Zeche Prinz-Friedrich und gehört teilweise der Stadt Essen, teilweise einem Privateigentümer. Die Gelegenheit kam, als in den frühen 90er Jahren für den S-Bahnhof Kupferdreh (Bahnsteig mit direktem Blick auf die Autobahn – ein echtes Highlight) ein Planfeststellungsverfahren durchgeführt werden musste.

Gelegenheit erkannt, Gelegenheit genutzt

Die Stadt nutzte die Gelegenheit, um von der Bahn gleich noch zwei eigene Wünsche regeln zu lassen: eine Autobahnabfahrt am Wohngebiet Prinz Friedrich vorbei, für die der eigentlich geplante Bebauungsplan wegen eklatanter Mängel vor Gericht gescheitert war … und die Offenlegung des Deilbaches.

Vorgesehen war demzufolge den städtischen Teil der Verrohrung zu verfüllen …. und das „Problem Fledermausquartier“ dem Eigentümer des anschließenden Gewässerabschnittes zu überlassen.

Fledermausquartiere aber sind sensible Lebensräume. Feuchtigkeit und Temperatur müssen relativ konstant sein, fehlt der durchfließende Bach wird das schwierig. So schwierig, dass man im Planfeststellungsverfahren eine Lösung nicht einmal in Ansätzen skizzieren konnte. In die entsprechenden Unterlagen wurde 1996 nur ein schmaler Strich eingetragen. Platzhalter dafür, dass eigentlich eine größere Fläche zur Belüftung des Gewölbes notwendig ist, um die klimatischen Verhältnisse für die Fledermäuse zu sichern. Der Platzhalter blieb Platzhalter, gehandelt wurde zu keinem Zeitpunkt: nicht beim Bebauungsplan Prinz-Friedrich-Straße, bei dem man Flächen hätte sichern können, nicht bei der Ausführungsplanung für die Offenlegungen des Deilbaches.

Im Jahr 2019 wurden die Naturschutzverbände BUND und NABU dann seitens des Umweltamtes zu einem Gespräch eingeladen, um den Sachstand zu diskutieren. Ein erstaunliches Ergebnis des Gespräches: Innerhalb der zuständigen Stellen war ein Gutachten zum baulichen Zustand des Gewölbes nicht bekannt. Die Verbände konnten aushelfen und dabei gleich betonen, dass aus ihrer Sicht die Behauptung, das Gewölbe sei einsturzgefährdet und daher zu verfüllen, gar nicht belegt sei. Danach: wieder mehrere Jahre Sendepause.

Fledermäuse verzögern angeblich die Verfüllung eines Teils des sogenannten „Deilbachge-wölbes“ vor dem Baldeneysee. Nach über 20 Jahren Passivität und Verzögerung der und durch die Stadtverwaltung soll es also wieder einmal der Artenschutz sein. Eine Erwiderung der AG Artenschutz und der AG Wasser des BUND Essen

Gehandelt und aufgeklärt wurde auch nicht als ein Kupferdreher Ratsherr offen zum Rechtsbruch aufrief und das Fledermausquartier zur Nebensache erklärte. Darauf in einem Gespräch zwischen Verbänden und Umweltverwaltung angesprochen, erklärte die Verwaltungsspitze, die Fledermäuse würden „umziehen“. Doch Fledermäuse ziehen nicht einfach so um. Und schon gar nicht, wenn es sich um ein großes Winterquartier handelt. Auch das war der Verwaltung bekannt. Seit Jahrzehnten.

Es folgte was muss: Schweigen. Im November 2022 richtete der BUND daher eine schriftliche Anfrage an die Untere Naturschutzbehörde. Wissen wollten wir unter anderem in welchem Verfahren die anstehenden Arbeiten genehmigt und ob die Verbände beteiligt werden. Die gewünschte Beteiligung wurde zugesagt. Folge: Erst langes Schweigen und dann die Ausschussvorlage mit der Mitteilung, die Fledermäuse seien schuld an einer Verzögerung. Und kaum ist die Ausschussvorlage beschlossen, richtet die Verwaltung an den NABU eine Anfrage zu Kenntnissen über mögliche Ausweichquartiere. Kooperation sieht anders aus. Vertrauen bildet sich anders.

Objektiv steht nur eines fest: Die Fledermäuse verzögern am Deilbach gar nichts! 25 Jahre Untätigkeit der Verwaltung legt jedes rationale Vorgehen lahm.


Weitere Meldung zu diesem Thema auf dieser Webseite vom 26. Oktober 2021: Fledermausquartier am Deilbach in Gefahr - BUND Essen entsetzt über Leichtfertigkeit eines CDU-Ratsherrn

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