BUND-Kreisgruppe Essen

Gülleunfall am Hardenberger Bach - Presseresonanz und Reaktion der Essener Stadtverwaltung

27. Februar 2024

Die Medien der Funke-Gruppe (WAZ/NRZ) haben die Erinnerung des BUND an das massenhafte Fischsterben im Hardenberger Bach und vermutlich auch im Deilbach aufgegriffen und in einem langen Beitrag unter der Überschrift „Hat die Stadt das Fischsterben vertuscht?“ berichtet. Die Stadtverwaltung reagierte leider nur mit einer „Gegendarstellung“. Ein Kommentar.

Mediale Zuspitzung (mit „?“)

Die Medien der Funke-Gruppe haben unseren Hinweis auf die Vorgänge des letzten Jahres in einem langen und sachlichen Artikel aufgegriffen. Die Überschrift „Hat die Stadt das Fischsterben vertuscht?“ spiegelt diese Sachlichkeit aber nicht gerade optimal.

Mediale Zuspitzung – insbesondere in Überschriften – generiert Interesse und Leserschaft. Das mag man mögen oder auch nicht. Fakt ist, dass dahinter oftmals die Inhalte zurücktreten. So leider auch im vorliegenden Fall.

„Gegendarstellung“ zu einer Überschrift

Wenngleich sich die BUND-Kreisgruppe über die Berichterstattung freut, war es nie unsere Intention der Essener Verwaltung eine „Vertuschung“ des Fischsterbens vorzuwerfen. Leider muss man davon ausgehen, dass die Stadtverwaltung von dem bewiesenen Fischsterben gar nicht wusste – was die Sache leider nicht besser macht.

Im Gegenteil. Die Stadt hat sich erfolgreich gegen eine zugespitzte Überschrift gewehrt - und inhaltlich danebengegriffen.

Die erfreulicherweise zum Vorgang stattgefundene Kommunikation per Mail und Telefon hat keinerlei Einfluss auf die Gegendarstellung gehabt. In dieser zeigt sich die Schwäche der städtischen Argumentation:

„Diese Darstellung entspricht nicht den Tatsachen. Tatsächlich zeigten die im Essener Bereich des Deilbachs gemachten Gewässeruntersuchungen zwar deutliche Hinweise auf den Schadensfall. Es wurden aber keine Werte festgestellt, die eine Gefährdung des Fischbestandes erkennen ließen. Im Deilbach konnte somit kein Fischsterben infolge des Gülleunfalls festgestellt werden. Die Untersuchungen des Makrozoobenthos (im "Wasserboden" lebende Organismen) zeigten bereits im Hardenberger Bach, oberhalb der Mündung in den Deilbach, keine signifikanten Schädigungen. Für den Deilbach in Essen wurden daher keine weiteren Untersuchungen durchgeführt.“

Die sich daraus fachlich ergebenden - im Grunde rhetorischen - Fragen:

  1. Welche „Werte“ wurden erhoben, die eine Gefährdung des Fischbestandes hätten erkennen lassen? Uns sind solche Untersuchungen aus dem vorliegenden Daten nicht bekannt.
  2. Wieso konnte „somit“ kein Fischsterben im Deilbach festgestellt werden? Welche Daten liegen der Stadt vor, eine solche Aussage zu treffen? Nach Einschätzung des BUND und Sichtung der Datenlage wurden gar keine entsprechenden Untersuchungen angestellt. Und es ist kaum vorstellbar, dass im Hardenberger die Fischfauna erloschen ist, das Mündungsgewässer Deilbach aber ohne jeden Schaden bleibt.
  3. Wieso glaubt die Stadt Essen anhand von Untersuchungen des Makrozoobenthos auf ein mögliches Fischsterben – oder dessen Ausbleiben – schließend zu können? Die Wirkungsmechanismen sind auf die Artengruppen völlig unterschiedlich.
  4. Ein Fischexperte hat sofort ein Fischsterben vermutet und privat gehandelt als die Behörden sich nicht rührten. Das Fischsterben ist nachgewiesen, das Gutachten liegt der Stadt vor. Warum reagiert die Stadt Essen in ihrer Gegendarstellung nicht auf diesen Sachverhalt?

Zur Sache – ganz sachlich :)

Auf Bitte der Grüne Ratsfraktion in Velbert hatten sich Gewässerexperten des BUND Essen die Antworten des Kreises Mettmann auf einen umfangreichen Fragenkatalog angesehen und dabei eine Vielzahl noch immer offener Fragen und unbelegter bzw. widerlegter Behauptungen identifiziert (Anschreiben und Anhang). Zusammenfassend schrieben wir damals:

  1. Es ist und bleibt unverständlich, dass seitens der Behörden die Untersuchung der aus fachlicher Sicht offenkundig primär betroffenen Artengruppe Fische weder veranlasst noch nach entsprechenden Hinweisen energisch angegangen wurde. Dies können wir nicht anders als ein Versagen bewerten, an dem viele Behörden beteiligt waren. Für die Zukunft ist ein Notfallplan erforderlich und ein Überdenken der Meldeketten.
  2. Es ist und bleibt unverständlich, warum vorliegende Daten zum massiven Fischsterben (wie anders kann ein nahezu vollkommendes Erlöschen auf mindestens 9 km Fließstrecke bezeichnet werden?) nicht zwischen den Behörden ausgetauscht und zeitnah und mit der notwendigen Offenheit in die Öffentlichkeit kommuniziert wurde.
  3. Es ist und bleibt unverständlich, warum sich auch die Medien dem Vorgang nach Bekanntwerden der Fakten nicht nachdrücklicher gewidmet haben, sondern beispielsweise Aussagen wiedergegeben haben, es habe sich um eine „Belästigung“ vergleichbar der Düngung eines Ackers gehandelt oder „an Land“ seien keine Schäden an Flora und Fauna zu befürchten, wo es sich doch um einen Schaden in einem Fließgewässer handelte.
  4. Unverständlich auch die angesichts des Datendefizits weitreichenden Entwarnungen über die Größe und Tragweite des Schadens. Wäre es nicht angemessen gewesen, zumindest darauf zu verweisen, dass man angesichts der personellen Situation der Umweltverwaltungen nicht möglich war, zeitnah alle Fragen zu beantworten und nunmehr eine Schließung der Kenntnislücken angegangen werde?
  5. Letztlich bleibt der Eindruck, dass es zu viele Stellen gab, die es nicht ganz so genau wissen wollten. Dass die Aufforderung zur Beschaffung von Unterlagen bei den „beauftragenden Dienststellen“ an die Politik ergeht und die Verwaltung es nicht als ihre Aufgabe sieht, diese bereitzustellen, macht keinen guten Eindruck. Wir hoffen, dass Sie die Initiative ergreifen, da dem verbandlichen Umweltschutz nicht die Möglichkeiten zur Verfügung stehen, wie der kommunalen Politik.
  6. Wir folgern aus der Antwort der Kreisverwaltung (in Essen hat es das Ereignis nur auf Initiative der SPD als Anfrage in die Bezirksvertretung geschafft), dass es noch vieler Anstrengungen bedarf, für politische Beratungen qualifizierte Vorlagen zu erhalten und hoffen, dass sich die Mehrheit der Gremienmitglieder auch in Velbert durch diese Vorlage nicht „gut beraten“ fühlt, sondern fraktionsübergreifend mehr Substanz fordern. Weniger Vorlagen, dafür aber solche, die es ermöglichen, konkret und zielgerichtet zu beraten und zu handeln und aus Fehlern für die Zukunft zu lernen.
  7. Entscheidend für das weitere Vorgehen wird sein, das endlich ein qualifiziertes Schadensgutachten beauftragt wird und die noch offenen Fragen aus Ihrer Anfrage beantwortet werden. Auch sollte der Frage nachgegangen werden, ob vergleichbare Vorfälle anderenorts auftreten können bzw. durch entsprechende Vorgaben zur Ausgestaltung solcher Becken wie in Neviges und eine regelmäßige Kontrolle durch die Behörden verhindert werden können.
  8. Insofern formulieren wir auch ausdrücklich keine Vorwürfe, sondern stellen zunächst nur unbestreitbare Defizite beim Handeln von Verwaltungen, Behörden, Fischereigenossenschaft und in der Medienberichterstattung fest. Mit einer umweltpolitischen Bewertung werden wir uns noch etwas Zeit lassen und auch mit übergeordneten Gremien sprechen, sobald benötigte Daten vorliegen. Die im ehrenamtlichen Bereich begrenzten personellen und fachlichen Kapazitäten lassen leider derzeit keine tiefergehende Analyse zu.

Unser damaliges Unverständnis hat sich nicht gelegt. Die „Gegendarstellung“ der Stadt Essen, so menschlich verständlich sie angesichts der medialen Zuspitzung auch sein mag, bestätigt jeden der vorgenannten Punkte.

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