Hochwasserschutz und Gewässerentwicklung waren Thema in der Bezirksvertretung VIII

26. Oktober 2021

Die Bezirksvertretung VIII (Ruhrhalbinsel), die vom Juli-Hochwasser besonders betroffen war (der Süden von Kupferdreh stand komplett unter Wasser), hat sich in ihrer Oktobersitzung mit Fragen der Gewässerentwicklung und des Hochwasserschutzes beschäftigt. Eingeladen dazu war Andreas Bolle, beim BUND Essen unter anderem in der AG Wasser aktiv.

Die vom Juli-Hochwasser besonders betroffene Bezirksvertretung VIII (Ruhrhalbinsel) hat sich in ihrer Oktobersitzung mit Fragen der Gewässerentwicklung und des Hochwasserschutzes beschäftigt. Zum Thema in seiner ganzen Breite vorzutragen war als Planer und Gutachter Andreas Bolle eingeladen, der beim BUND unter anderem in der AG Wasser aktiv ist.

In Vortag wurde an konkreten Beispielen verdeutlicht, dass Hochwasserprobleme aus dem Zusammenspiel dreier Faktoren resultieren: Niederschläge / Schneeschmelze, Morphologie und Nutzung, Politik und Gesellschaft aber nur auf die Nutzung effektiv Einfluss nehmen kann. Effektiver Hochwasserschutz hingegen ist Resultat konsequenten Handelns bei der Schaffung von Rückhaltevolumina, der Abflussverzögerung und (als ultima ratio) dem Objektschutz. Gerade beim Objektschutz komme es jetzt darauf an, auch unangenehme Fragen zu stellen, ob Nutzungen einfach wiederhergestellt werden sollen und können.

Die (umweltpolitischen) Kernbotschaften des Vortrages:

  1. Das wird wieder passieren. Hochwasser lässt sich nicht vermeiden und auch nur begrenzt prognostizieren. Das ist nicht nur - aber auch - eine Folge des Klimawandels.
  2. Es gibt nur wenige große Maßnahmen (sog. Hochwasserrückhaltebecken, HRB) die wirksam sind und endlich angegangen werden müssen. Von diesen Anlagen ist eine in Velbert seit Jahrzehnten in der Planung aber nicht realisiert. Für Kupferdreh hätte das geplante HRB zweifellos Entlastung bringen können. Für drei weitere HRB in den letzten großen Auenflächen des Deilbaches regt Bolle an, diese näher zu prüfen. Die fraglichen Flächen sind ausnahmslos in öffentlichem Eigentum (Technische Betriebe Velbert, Ruhrverband, Stadt Essen) und in diesen Flächen stehen ohnehin Renaturierungsmaßnahmen an bzw. solche sind in Umsetzung. Um Kosten und Zeit zu sparen, ist also eine rasche Prüfung angezeigt.
  3. Mindestens genauso wichtig ist aber auch, kleine Maßnahmen zur Retention und zur Abflusszögerung in großer Anzahl und wo immer möglich umzusetzen und dafür zu werben. Gewässerrenaturierung ist eine der einfachsten Maßnahmen der Abflussverzögerung, bei der die Stadt Essen als unterhaltungspflichtige Stelle eine besondere Verantwortung hat, die noch unzureichend erfüllt wird (dazu auch hier). Zu den „kleinen Maßnahmen“ zählen auch Dachbegrünung und „blaue Dächer“, Fassadenbegrünung, die Vermeidung von Versiegelung und die Schaffung „unkonventioneller“ Rückhalteräume.
  4. Hochwasserschutz und Gewässerentwicklung kosten Geld und Personal. Essen wird zukünftig nicht mehr, sondern tendenziell weniger Geld zur Verfügung haben. Auch zusätzliches Personal wird es absehbar nicht geben. Politische Aufgabe ist es daher, endlich mit der richtigen Prioritätensetzung zu beginnen und dies auch in den Entscheidungen zu kommunizieren (zu zweifelhaften Prioritäten hier).

Danz gegen den Inhalt des Vortrages dagegen die aktuelle Mitteilung der Stadt Essen zur Reaktion auf das Hochwasserereignis: kein einziger der vorgenannten Punkte wird auch nur im Ansatz gestreift. Alles nur zum Thema Wiederherstellung.

Für den absehbaren Fall, dass jetzt wieder neue Pilotprojekte aufgelegt werden (wahlweise auch Masterpläne, Modellvorhaben, Essener Modelle …) empfahl Andreas Bolle: Kratzen! Denn wenn diese Worte fallen, müssten Politiker*innen Wutpickel bekommen. Bolle: „Wir wissen genug um zu handeln und benötigen nicht noch mehr Projekte der Meta-Ebene. Modellprojekte müssen endlich in Serie gehen.“

Was wäre, wenn die Autoindustrie nur „Erlkönige“ produziert hätte? Wir würden weiter reiten. Auch nicht nur schlecht. (Hinweis: BMW stellt den Begriff übrigens folgendermaßen vor: Erlkönige - die Kunst des Verwirrens - eine Taktik die auch Politik beherrscht, wenn jetzt die durchaus sinnvollen „Baumrigolen“ auch als effektive Maßnahme gegen Hochwasser verkauft werden.)

Die Rückmeldungen der Politik waren durchweg positiv. Und das, obwohl auch heiße Eisen angesprochen wurden. Soll zum Beispiel der Hockey-Kunstrasenplatz am Eisenhammer wirklich für ca. 700.000 € an gleicher Stelle wieder hergestellt werden? Kann das Konzept für das denkmalgeschützte Eisenhammer-Ensemble ohne Veränderung tragfähig sein?

Maike Wissing (Sprecherin der AG Wasser): „Der BUND ist gespannt, wie sich die politischen Aktivitäten entwickeln. Die AG bleibt dran.“

Der Vortrag ist als komprimierte PDF-Datei hier abzurufen.

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